- 10. Februar 2025
- Sicherheit & Praxis
- Elmar Brümmer
Eine Kolumne zum Thema Fahrgefühl.
Vermutlich war es sogar aufmunternd gemeint, als der Fahrlehrer, noch bevor es losgehen sollte, warnte: „Aber bitte mit viel Gefühl!“ Zirka 40 Minuten später war es dann mehr ein Angst- oder Warnschrei, mit dem der Mann erneut das Gefühl anmahnte. Aber seitlich einparken am Berg in der allerersten Lektion, noch dazu bei leichtem Schnellfall, das braucht schon etwas mehr Erfahrung. Aber was ist das eigentlich genau: Fahrgefühl?
Gilt sogar auf der Milchstraße
Sogar am Winterhimmel geht es darum, das Sternbild Fuhrmann, durch das sich die Milchstraße zieht, leuchtet dann besonders deutlich. Auf der Erde zeigt Walter Röhrl, der als bester Autofahrer Deutschlands gilt, ganz einfach und ganz genau, wie er erfühlt, was sein jeweiliger Wagen zu tun oder zu lassen hat. Der Rallye-Champion fasst im herkömmlichen Straßenverkehr das Lenkrad nur ganz sachte mit den Fingern an, als handle es sich um die Kronjuwelen. Er braucht dazu nicht mal Samthandschuhe.
Es geht ums Gleiten und ums Lächeln
Dass wir hier einen Röhrl zu diesem sehr subjektiven Thema hören, ist Absicht. Denn Rennfahren ist nicht ohne Grund ein ausgesprochener Instinktsport.Ableiten lässt sich – auch ohne schneidiges Driften um die Kurve – für uns alle: wer sein Auto zu verstehen versucht, wer es respektiert, wer es zuvorkommend behandelt, der kann bis zum Ende des Prüfsiegels glücklich damit bleiben. (Dass es auch mal kracht, kommt ja in den besten Beziehungen vor.) Es muss auch nicht immer „wow“ sein hinterm Steuer, ein zufriedenes Lächeln beim Dahingleiten reicht schon. Dazu müssen der Charakter von Fahrer und die Eigenschaften des Fahrzeugs allerdings synchron sein.
Sich in den Motor hineindenken
Wir könnten natürlich auch Michael Schumacher oder Niki Lauda zitieren, für die das Fahrgefühl viel mit dem Allerwertesten zu tun hat, aber um das richtig nachvollzuziehen zu können, müsste man die halbe Kindheit mit Kartfahren verbracht haben. Wie bei so vielem im Leben geht es aber um die richtige Balance: wer sicher fährt, darf auch mal forsch sein. Gefühlvoll fahren ist eben auch situationsbedingt. Um das eigene Limit und dass der Maschine wissen. Lauda empfahl dazu, alle Sinne einzuschalten, er konnte in den „sanften, harmonischen Bewegungsabläufen eines Autos“ schwelgen. An Tagen, an dem ihm das besonders gut gelungen war, habe er beim Warmfahren gespürt, wie das Öl durch den Motor rann: „Jedenfalls bildete ich mir das ein…“
Spürbar weiterkommen
Wer in einem Elektroauto unterwegs ist, kennt die Tücke der rasanten Beschleunigung, zu der so ein Stromer aus dem Stand fähig ist. Und tut gut daran, die Kraft erfühlen und dosieren zu können, wenn er hinter dem Steuer sitzt. Fühlende Fahrer sind meistens auch die, denen das Manövrieren auf Schnee oder im Sand jenseits des Allrad-Antriebs noch echte Freude bereitet. Faustregel: erst spüren, dann Gas geben.
Das Auto spielt den Analytiker
Der Autor, schon lange verschworen mit seinen Cabriolets, mit denen er das eigene Gefühl beim Fahren schult, wurde – bei geschlossenem Dach – vom Display aufgefordert, sich einer Beurteilung zu stellen: die Elektronik bat ihn, er möge sich einer Fahrstilanalyse stellen. Ist das nicht ein bisschen unverschämt? Schon an schlechte Schulnoten beim Überholen oder Einparken denkend, erforschte er die Hintergründe. Siehe da: es geht dabei vor allem darum, einen besonders effizienten Fahrstil zu entwickeln und damit Energie zu sparen. Also sehr vernünftig. Dazu würden in Echtzeit Fahrtipps dann auf den Bildschirm eingeblendet. Bestimmt eine gute Sache, aber leider ließ sich dieser Modus partout nicht einstellen. Vielleicht hat der Fahrer eben doch mehr Gefühl am Lenkrad entwickelt als mit dem trackpad.
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https://gtue.blog/sicherheit-praxis/fingerspitzen-am-lenkrad/