- 02. Juli 2024
- Tradition & Innovation
- Ulf Schulz
Morgens, an einem Samstag mitten im Juni. Leichter Regen küsst den Asphalt. Am Fuße des kleinen Örtchens Steinbach in Thüringen quietschen die Räder eines Ford Escort RS 1600 BDA.

Morgens, an einem Samstag mitten im Juni. Leichter Regen küsst den Asphalt. Am Fuße des kleinen Örtchens Steinbach in Thüringen quietschen die Räder eines Ford Escort RS 1600 BDA. Der Cosworth-Motor des Hundeknochen-Escorts heult auf, die kleine Ampel schaltet auf grün und schon geht die Post ab. Auf den nächsten 5,3 Kilometern warten 35 Kurven und 250 Höhenmeter auf den Kölner mit dem englischen Herzen. Wie an der Seilbahn, zieht der Ford kreischend den Berg hinauf – Zuschauer stehen beeindruckt am Streckenrand – eine zackige rechts-links Kombination und die einzige Schikane auf der Strecke ist überwunden. Leicht touchiert der rechte Radlauf dabei den zur Barriere aufgebauten Reifenstapel – Streckenposten eilen zum Aufräumen. Kaum später, zischen Fahrer und Bolide mit 91 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit über die Ziellinie. 3:30:826, so die Zeit, die aus den Lautsprechern schallt und schon quietscht es wieder an der Startlinie.

Mittendrin im 26. Internationalen Glasbachrennen!
Seit 1974 wird am Rennsteig das längste Bergrennen Deutschlands ausgetragen. Damals, im September, erlebten über 6.000 Besucher die Läufe zur DDR-Meisterschaft. Und schnell wurde es internationaler auf der anspruchsvollen Strecke. Fahrer aus dem Ostblock duellierten sich mit Berg und Stoppuhr. Doch nach der Wende stoppten der marode Asphalt und eine ungenügende Streckensicherung vorerst den Rennbetrieb. Das kleine Örtchen Steinbach, direkt an der Bergrennstrecke liegend, wollte sich dem Verfall der Geschichte nicht ergeben. In einer neu gegründeten Rennsportgemeinschaft, dem Altensteiner Oberland e.V. rund um die Vorsitzenden Markus Malsch und Thomas Weih, legten die Steinbacher den Grundstein für die Wiederbelebung der Rennstrecke und als ein Umzug der Piste nötig wurde, schaffte man die Sensation. In unzähligen Arbeitsstunden und mit der Unterstützung des Freistaates Thüringen und dem ADAC, wurde nicht nur Deutschlands längste Bergrennstrecke am Glasbach entwickelt, sondern auch die modernste Europas.

Der wahre Kern des Pudels liegt aber in den Steinbachern selbst. Ausgestattet mit großen Herzen, unbändiger Leidenschaft und einer Gastfreundschaft, die ihresgleichen sucht, strahlt das Bergdorf die Liebe zum Motorsport in die Welt hinaus. Alles ist auf den Beinen! Eine Woche lang wird von morgens bis abends geackert, werden Zäune gestellt, Banner gehangen, Zelte und Technik aufgebaut. Anwohner räumen emsig ihre eigenen Carports und Garagen, um den amateursportlichen und semiprofessionellen Rennteams ein Fahrerlager zu schaffen.

In den schmalen Gassen des Dorfes, wäre es dafür auch schlichtweg zu eng. Und 145 gemeldete Rennwagen brauchen Platz. Soviel, dass man die Rennstrecke um 200 Meter einkürzt, um im Ziel am Rennsteig alle Fahrzeuge unterbringen zu können – Rekord in der Geschichte des Rennens!
Allerdings verwundert der Zuspruch kaum. Im Duell mit Frankreichs Bergrennstrecken, setzte sich das Glasbachrennen 2024 im Europameisterschaftskalender der FIA durch und holte den fünften von elf Läufen nach Deutschland.
Und weil mehr Autos noch mehr Spaß versprechen, starten auch die Fahrer und Fahrerinnen des luxemburger sowie österreichischen Berg-Cups, des NSU-Bergpokals und dem historischen Lauf.

Der Regen ist verzogen. Intermediate-Reifen oder Slicks – die Frage, die das Fahrerlager beherrscht. Der zweite Trainingslauf am Samstag setzt Duftmarken auf der Zeitentabelle. Doch schon im dritten Trainingslauf am Nachmittag verzögert sich ein um´s andere Mal der Start.
Bergrennen heißt volle Konzentration. „Anders als auf der Rundstrecke, hast Du eben nur einen Versuch – Machst du einen Fehler, kostet dich das die Platzierung!“, resümiert Ex-Formel-1-Pilot und RTL-Kommentator Christian Danner. Er ist Schirmherr der Veranstaltung und das ganze Wochenende vor Ort. Das Bergrennfieber hat ihn längst gepackt, auch wenn er selbst nur ein einziges Bergrennen in seiner vielfältigen Karriere absolviert hat. „Das hier, ist Motorsport zum Anfassen und man spürt die pure Leidenschaft aller, die hier sind“. Dabei blitzen seine Augen, er grinst, gibt unzählige Autogramme und verschwindet wieder Richtung Strecke.

So spektakulär die Trainings am Samstag laufen, bei den zwei Wertungsläufen am Sonntag wird nochmals eine Schippe draufgelegt. Klar küsst der ein oder andere auch mal die Leitplanke – ernste Unfälle gibt es glücklicherweise keine. Karl Schagerl, Vizebergeuropameister 2022 und einer der Favoriten im 840 PS starken Golf 2 scheidet allerdings im zweiten Lauf furios aus. Ein technischer Defekt lässt sein Geschoss Feuer fangen – in wenigen Sekunden ist dieses aber gelöscht. Adrenalin ist an diesem Wochenende das Benzin aller in den Blutbahnen – und jede Menge Herzlichkeit sowieso – in diesem gallischen Dorf des Motorsports!

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